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Eine der wichtigsten Industrien Deutschlands ist durch die Pandemie und den COVID-19-Auswirkungen in eine massive Krise geraten. Absatzausfälle und drastische Produktionsrückgänge beherrschen den Alltag. Diese zusätzliche und völlig überraschende Marktveränderung trifft Hersteller und Zulieferer mitten in einer sowieso schon schmerzhaften Umstrukturierungsphase. Eine Phase in der sich die gesamte Wärmebehandlungsbranche auf die Elektromobilität einstellen muss.

Elektromobilität in der EU

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre durch die Innovationen in der Elektromobilität zeigt klare Tendenzen. Deutschland und andere europäische Staaten sind sich über den Ausstieg fossiler Verbrennungsmotoren einig. Einzige Variable: die verbleibende Zeitspanne. Während Audi verkündet hat, erst bis 2035 aus der Produktion von Verbrennungsmotoren auszusteigen, um klimaneutral zu werden, will Norwegen diesen Schritt bereits bis 2025 setzen.

Der weltweite Einstieg in den Ausstieg

General Motors tut es 2035, Toyota erst 2050 und Volvo steuert schon 2030 auf ein völlig neues Konstruktions- und Vertriebskonzept zu. Die Rede ist vom Produktionsausstieg aus der Verbrennungstechnologie. V W, Daimler, BMW fokussieren sich immer mehr auf ein klar definiertes Ausstiegsszenario. Einige andere scheuen eine fixe Ansage, doch Pkw-Modelle mit Diesel- oder Benzinmotor sind schon jetzt ein Teil der zukünftigen Vergangenheit. General Motors überraschte mit dem Statement, ab 2035 nur mehr emissionsfreie Fahrzeuge herzustellen, um insgesamt CO2-neutral zu werden. Für die Industrie (und insbesondere für die hubraumverliebten Amerikaner) ein radikaler Schritt, den Volvo zu toppen vermochte. Die Schweden erneuern ab 2025 ihr Vertriebsnetz und verkaufen ausschließlich Elektromodelle. Somit ist Volvo der offizielle Erstaussteiger.

Wer weiterhin am Markt bestehen will, musste sich schon immer neuen Anforderungen anpassen – noch besser: schnell anpassen! Sind die in den letzten Jahrzehnten relativ dickfällig gewordenen deutschen Aushängeschilder in der Lage, nicht nur ständig neue Modellvariationen aus gleichen Baukästen zu entwickeln, sondern auch gänzlich neue Technologien? Können wir auch „think-outside-the box“ oder nur „na gut; machen wir eben auch mit“?

Seit unserem Blogartikel „Verbannung der Verbrennungsmotoren“ im Jahre 2017 hat sich einiges getan! Fakt ist nach wie vor: Elektroautos haben in Summe weniger gehärtete Bauteile als herkömmliche Fahrzeugkonstruktionen. Im Jahr 2017 konstatierten wir ein Ausstiegsszenario bis 2030. Tatsächlich sieht heute die Deadline für ausschließlich emissionsfreie Pkw-Zulassungen anders aus. Norwegen prescht unter Vorbildwirkung mit 2025 voraus, gefolgt von Schweden, Dänemark, Niederlande, Irland, Slowenien und Island mit 2030 sowie Spanien und Frankreich bis zum Jahr 2040. Die wichtigsten Fahrzeugmärkte mit China, USA und Brasilien haben noch keine fixen Ausstiegsziele veröffentlicht. Deutschland wird sich dieser Entwicklung bis zum Jahr 2035 anschließen. Mit fortschreitendem Entwicklungsstand werden sich diese Zeitspannen eher verkürzen als verlängern.

Neue Chancen für die Industrie

Zulassungsprognosen für 2021 ordnen der elektrobetriebenen Mobilität und Hybridmotoren mehr als 20 Prozent der gesamten Neuanmeldungen zu. Da sich die Bauart der elektronischen Fahrzeuge in den letzten Jahren allerdings kaum verändert hat, liegt der Fokus in der technologischen Weiterentwicklung auf einer innovativen Batterietechnik. Besonders Apple macht aktuell mit Meldungen diesbezüglich auf sich aufmerksam. Bereits ab 2024 will der Konzern mit einer revolutionären Akkutechnologie am Markt präsent sein. Gerüchten zufolge laboriert das Unternehmen schon seit 2015 an einem eigenen selbstfahrenden Auto. Dank des Rohstoffs Lithiumeisenphosphat soll die Reichweite eine wesentlich größere sein, als dies bei bisherigen Modellen der Fall war. Mit einem veränderten Aufbau des Akkus wird nicht nur Platz gespart, auch eine höhere Ladungsdichte ermöglicht wohlmöglich den Durchbruch des Apple-Akkus. Doch der amerikanische Technikriese gibt sich mit einem modernen Batteriekonzept alleine nicht zufrieden. Apple arbeitet an einer strategischen Neuausrichtung und entwickelte hinter den Kulissen ein selbstfahrendes System. Eine durchaus interessante Technologie mit LIDAR-Sensoren zur räumlichen Erfassung. Interessant wird die Reaktion von Tesla auf diese Neuentwicklung sein, speziell in Hinblick auf das neue Werk in Brandenburg. Ist das der neue Trend im High-Tech Bereich? Entwickelt wird in Übersee und Deutschland dient lediglich als verlängerte Werkbank? Volkswagen will sich zumindest gleichauf halten, aber es steht zu bezweifeln, dass nach einer verzögerten Startaufstellung genügend Power auf dem Akku ist, um an den innovativen Riesen vorbeiziehen zu können.

Die Entwicklung selbst wird in der Wärmebehandlungsbranche mit Vorsicht beobachtet. Gelingt Unternehmen wie Apple mit diesem völlig neuen Batterieaufbau der Durchbruch, sind stetig abnehmende Umsatzzahlen für den Industriezweig der Wärmebehandlung besiegelt. Da in einem Elektroauto weniger gehärtete Teile verbaut sind, wird ein Siegeszug dieses Fahrzeugtyps Härtereien zunehmend zum Umdenken zwingen. Zwar werden in Elektroautos auch gehärtete Bauteile wie Wellen oder Planetenradsätze verbaut und die Nachfrage nach Bau- und Ersatzteile für Verbrenner als auch Hybridfahrzeuge, die gehärtet werden müssen, wird nicht plötzlich verschwinden – jedoch wird der Markt stetig kleiner werden.

Durch die geplanten CO2-Regulierungen der Europäischen Union müssen neu zugelassene Pkw in knapp 10 Jahren rund 55 Prozent weniger CO2 ausstoßen, als das im gesamten Jahr 2021 der Fall war. Klassische Verbrenner und nahezu verbeamtete Ingenieure können in dieser CO2-Regulierung nicht mithalten. Aus diesem Grund ist das Anliegen der EU als ein „De-Facto-Verbot“ für Verbrennungsmotoren anzusehen. Die heimische Industrie wird sich vermutlich in den nächsten 10 bis 15 Jahren den Regulierungen anschließen müssen, sodass ab 2035 hierzulande keine neuen Diesel und Benziner mehr verkauft werden. Es scheint, dass sich die deutsche Industrie vom jahrelangen Sträuben und Aufbegehren gegen diese Regulierungen nun doch bequemt, eigene Lösungen auf den Tisch zu legen, die auch ohne „Kalibrierfaktor“ auskommen.

Sind die Prognosewerte aus 2017 realistisch?

Die Prognosen aus unserem Blogartikel „Verbannung der Verbrennungsmotoren“ (2017) können nur bedingt für Bestätigung/Falsifizierung herangezogen werden. Der Grund ist in der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Einbrüchen am Automobilmarkt zu finden. Neuzulassungen und Absatzzahlen sind auf ein Minimum gesunken.

Im Jahr 2017 sagten wir ein Wachstum der weltweiten Neuzulassungen (2015 bis 2020) von 18,6 Prozent voraus. Tatsächlich ist der Markt in diesem Zeitraum um 12,2 Prozent gesunken. Die Gründe dafür liegen in den Auswirkungen der Corona Pandemie auf die Automobilbranche. Jedoch auch bei der Betrachtung der weltweiten Neuzulassungen bis unmittelbar vor der Krise, ist nach den Werten der Scotiabank lediglich ein Wachstum von 3,1 Prozent (2015 – 2019) eingetroffen. Somit ist der Markt zwar gewachsen, aber nicht in dem 2017 prognostiziertem Maße.

[nbsp] Prognosen 2020 Stand 2019*
Wachstum weltweite Neuzulassungen 18,6 % 3,1 %
Anteil Elektroautos 2 % 4 %

*Da die Werte aus dem Jahr 2020 nicht belastbar sind.

Elektroautos übertrafen hingegen die Prognosewerte. Für das Jahr 2020 wurde ein Anteil an mit Elektromotor betriebenen Fahrzeugen von 2 Prozent der weltweiten Neuzulassungen vorhergesagt. Jedoch meldete bereits 2019 der ADAC, dass die Elektroautos 4 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Diese Zahlen verdeutlichen die rasante Entwicklung und starke Dynamik des Marktes.

Bedeutung für die Wärmebehandlungsindustrie

Erstmalig in der Historie wurden Autobauer mit einem nahezu vollständigen Stopp ihrer Liefer- und Produktionsketten konfrontiert. Große Fahrzeugbestände auf Halde und kaum vorhandene Verkäufe stellten die Branche sowieso schon vor eine enorme Herausforderung.

Die Pandemie tut dann ihr Übriges, da der Ausfall von Lieferketten die Schwachstellen der Just-in-Time Gläubigkeit brutal zu Tage treten lässt. Als Folgereaktion musste sich die gesamte Wärmebehandlungsindustrie einem abrupten Strukturwandel unterziehen, um nicht zusätzlich noch mehr unter Druck zu geraten. Der Elektromotor wird an Akzeptanz gewinnen, jedoch ist nicht völlig klar, ob das von Fachleuten favorisierte Wasserstoffmobil auf Zeit eine wesentlich bessere Performance abliefern kann. Die nächsten Jahre werden es zeigen. Selbstverständlich auch unter Berücksichtigung verfeinerter Technik. Wie schon im Jahr 2017 sind die Veränderungen planbar, Panik ist unbegründet. Weder werden Verbrennungsmotoren von heute auf morgen vom Markt verdrängt, noch kommt es zu einem unvorhergesehenen Ende gehärteter Autobauteile.

Eines steht jedoch fest: Die Nachfrage an wärmebehandelten Komponenten für die Automobilindustrie wird kontinuierlich abnehmen. Daher bleibt der Appell ähnlich wie bereits 2017 – die aktuelle wirtschaftliche Situation lädt nicht zum Ausruhen ein. Gerade in Pandemiezeiten sollte sich die Branche auf die Umstrukturierung vorbereiten, um auch in Zukunft von innovativen Technologien und der Industrie profitieren zu können.

  • Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?
  • Glauben Sie, dass die Corona-Pandemie der Wärmebehandlungsbranche vielleicht noch etwas mehr Zeit verschafft hat?

Wir sind auf Ihre Meinung gespannt!